· 

Frauenprobleme ...

 

Also, eigentlich  verreise ich ja für mein Leben gern. Ich würde es noch viel öfter tun - wären da nicht die Reisevorbereitungen. Wenn ich endlich im Auto sitze und mein Gepäck im Kofferraum verstaut ist, bin ich ein Nervenbündel! Aber  - von Anfang an.

Nehmen wir - so als Beispiel - irgendeinen Urlaub im Gebirge.

Ans Meer zu reisen, ist viel einfacher. Schon deshalb, weil es dort gewöhnlich warm ist. Außerdem ist das Gepäckvolumen, das die Fluggesellschaft bereit ist, kostenlos zu transportieren, gewöhnlich auf 20 kg beschränkt.  Dass mein Mann nicht einmal die Hälfte davon braucht, ist ein Riesenvorteil. Er übernimmt nämlich gerne meine überzähligen Handtücher, Badesachen, die gehäkelte Handtasche oder sonstigen Krimskrams, damit seine paar Hemden und die beiden Hosen nicht so unkontrolliert in seinem Köfferchen herumfliegen. Aber ich schweife ab.

Wenn bei uns eine Reise ansteht, fange ich ungefähr zwei Wochen vorher an, erst mal alle einschlägigen Wetter-Websites zu besuchen. Schließlich muss ich ja wissen, ob es kalt oder warm wird, Regen oder gar Schnee angesagt ist. Dass  fünf Wetterberichte fünf verschiedene Vorhersagen ausspucken, die sich auch noch alle paar Stunden ändern, macht die Sache nicht leichter.  

Was habe ich eigentlich vor der Internet-Ära gemacht?

Dann stehe ich vor meinem Kleiderschrank - und drehe das erste Mal am Rad.

Für einen Urlaub im Gebirge muss - oder sollte man - robuste und möglichst wetterfeste Kleidung mitnehmen. Natürlich nicht die allerengste Jeans. Erfahrungsgemäß geht auch die allerweiteste am Ende des Urlaubs nicht mehr zu - den tollen Frühstücks- und Abend-Büffets im Hotel sei Dank.

Hm. Da ist die Auswahl nicht allzu groß. Die Hosen kneifen schon jetzt fast alle. Bis auf die einstmals schwarze, jetzt reichlich verwaschene Jeans  mit den weiten Schlabberbeinen á la Hippie. Nee. In der sehe ich aus wie eine dieser grauen Restmülltonnen! Also doch die hellblaue. Wenn ich ein T-Shirt drüber trage, sieht man nicht, wenn ich den Reißverschluss offen lasse. Dann eine Dreiviertel-Jeans und die ganz kurze. Könnte ja auch heiß sein, und beim Wandern schwitzt man sowieso. Die T-Shirts sind kein Problem. Ich nehme den ganzen Stapel.

Die Beute kommt ins Gästezimmer auf einen fahrbaren Kleiderständer. Dann geht es zurück an den Schrank. Die Sachen für tagsüber und den Abend müssen noch her. Schwierig. Im Vier-Sterne-Hotel kann man nicht einfach in ausgeleierten Jogginghosen oder der Wanderkluft im Speisesaal  einfallen. Obwohl - manche Gäste genieren sich kein bisschen, wenn die Schweißränder von der Tageswanderung bis zur Taille reichen und entsprechende „Düfte" absondern. Ich gehöre dazu jedenfalls nicht!

Ich schwitze Blut. Mein Kopf dreht sich wie ein Brummkreisel. Was zum Henker nehme ich bloß für abends mit? Das lange schwarze Schlauchkleid? Naja - die Stauungen am Mittleren Ring sind bei der Anprobe schon seeehr deutlich zu erkennen! Ach was - die lange Blazerjacke mit den silbernen Streifen drüber, oder den Schlauchpullover mit den überkreuzten Trägern ... Und dann habe ich ja noch die durchsichtige schwarze Bluse mit dem gelben Blumenmuster. Mehr als zwanzig Jahre alt, aber das steht ja nicht vorne drauf. Kommt mit. Drei  Abende gerettet.

Beim Aufhängen der Sachen auf besagten Kleiderständer im Gästezimmer kommen mir Zweifel.  Ich kann doch nicht jeden Abend im gleichen Kleid ... Der Schrank wird erneut inspiziert. Und dann gleich die „Tagesklamotten" ausgesucht. Man will ja mal was besichtigen, über die Shopping-Meile ziehen, ins Schwimmbad ...

Hiiiiilfe! Das hätte ich ja fast vergessen! Das Hotel hat ein Hallenbad. Also, fünf Badeanzüge, Handtücher, Badelatschen, den weißen Bademantel. Kommt alles in eine Sporttasche. Das ist einfach.

Der Kleiderständer füllt sich zusehends. Alles, was nicht drauf passt, oder zusammengelegt ist, stapelt sich auf der Gästecouch. Hoffentlich kommt jetzt keiner von der Familie oder aus dem Freundeskreis auf die Idee, hier übernachten zu wollen!

Dann kommen die Schuhe dran. Knöchelhohe Wanderstiefel. Turnschuhe. Weiße und schwarze Sandalen und dann auch noch die neuen, knallbunten. Nicht zu vergessen die schwarzen „Abendschuhe"  mit Absätzen. Laufen kann ich zwar damit nicht allzu weit, aber vom Zimmer bis in den Speisesaal wird's gehen.

Die Badelatschen suche ich eine Dreiviertelstunde - bis mir einfällt, dass ich die ja längst in die Sporttasche zu den anderen Badesachen gestopft habe.

Die Tage vergehen. Wie oft ich inzwischen umdisponiert habe, kann ich nicht mehr zählen. Es wird Zeit, dass der Tag der Abreise kommt! Lange  halten  meine Nerven diesen Stress nicht mehr aus!

Aber zuerst kommt noch das Packen. Das mache ich immer einen Tag vorher.

Der Stromzähler im Keller schlägt Purzelbäume. Bis zur letzten Minute orgeln Waschmaschine und Trockner. Die Unterwäsche muss noch gewaschen werden - schließlich bin ich ja eine ganze Woche weg. Eine Horrorvorstellung,  im Hotel meine Unterwäsche waschen zu müssen! Mal einen BH oder ein Paar Socken - das geht gerade noch.   Mehr passt in die winzigen Näpfchen , die man im Hotel „Waschbecken" nennt, sowieso nicht rein. Die meisten sind nicht größer als ein Blumenuntersetzer, und genau so flach.  Wenn man neben den Socken noch Wasser drin haben will, wird es schon eng.  Außerdem hat man hinterher meistens einen nassen Bauch, weil das Wasser sonstwo abläuft, nur nicht im Abfluss. Aber das nur nebenbei.

Ich stehe gerade mitten im Chaos im Gästezimmer, umgeben von zwei Sporttaschen, meinem größten Koffer (den mein Mann so nett als „Überseekoffer“ bezeichnet), zwei Rucksäcken (einer fürs Handgepäck und einer zum Wandern), und versuche, die aufgestapelten Klamotten in diesen Behältnissen unterzubringen. Zwischendrin  renne ich ins Bad, um das Reisewaschmittel zu holen. Dort fällt mir ein, dass ich ja auch noch mein Beauty-Case packen muss. Und die Reiseapotheke ...

Hiiilfe - ich schaffe das nie!

Während ich ausrechne, wie viele von meinen Tabletten ich für eine Woche brauchen werde - plus die doppelte Menge für Notfälle -,  kommt mein Mann ins Bad, in der Hand sein blaukariertes Lieblingshemd. (Und ich dachte, dieses fossile Teil wäre längst in der Altkleidersammlung gelandet!)

„Kannst du mir das Hemd bitte noch waschen? Ich möchte es unbedingt mitnehmen!"

Auch das noch!

Mein Gesicht muss Bände gesprochen haben! Wortlos geht mein Gatte wieder hinaus, kommt mit einer kurzen Hose und einem T-Shirt zurück  und wirft die Waschmaschine selber an.

„Ist das Kurzprogramm  - das dauert nur eine halbe Stunde", meint er entschuldigend, bevor er endgültig den Rückzug antritt.

Ich zähle erneut meine Tablettenration. Dass ich eine Sorte vergessen habe (und deshalb am dritten Urlaubstag mit einem Gichtanfall zum Arzt muss), bemerke ich erst nach dem fünf-Gänge-Menü am ersten Abend.

Halb neun Uhr am Abend vor der Abreise. Meine Vorbereitungen lassen mich  immer noch nicht zur Ruhe kommen. Haare tönen, Fingernägel lackieren, Spülmaschine nochmal laufen lassen. Lieblingshemd des Ehegatten bügeln. Personalausweis einpacken. Reserveschlüssel vom Auto suchen. Dann endlich duschen und ab ins Bett. Da ist es kurz vor Mitternacht.

Um vier stehe ich wieder auf (schlafen kann ich sowieso nicht), und richte das Frühstück. Gegen sechs kommt mein Mann. Er hat mit dem Packen noch nicht mal angefangen! Nachdem er gemütlich gefrühstückt, Wurstbrote für die Fahrt zurechtgemacht, die Mülleimer nach draußen geschafft und gefühlte fünfundsechzig Blumenstöcke sowie die Geranien am Balkon gegossen hat, verschwindet er im Schlafzimmer.

Es dauert keine Stunde, bis er mit einer Sporttasche, einem Rucksack und seinem Köfferchen (meine Handtaschen haben in etwa die gleiche Größe) wieder auftaucht. „Wir können los", verkündet er freudestrahlend. „Ich muss nur noch den Hauptwasserhahn abstellen!"

Die Fahrt verläuft reibungslos. Staus gibt es nur auf der Gegenfahrbahn. Nach knapp vier Stunden sind wir am Ziel.

Einchecken, Gepäck ausladen. Beim Transport zum Zimmer hilft uns der Jüngling von der Rezeption. Während mein Mann sich zwecks Entspannung ein bisschen hinlegt, packe ich aus. Ich hasse es, aus dem Koffer leben zu müssen!

Schnell ist alles auf Bügel gehängt, die T-Shirts in die Schrankfächer geräumt. Dann hebe ich das darunter liegende Handtuch hoch - und mich trifft beinahe der Schlag.

„Neeeiin !I!"

Entsetzt fährt mein Mann im Bett hoch. Gerade war ein bisschen eingenickt.

„Um Himmels willen - was ist denn jetzt schon wieder passiert?"

„Ich ... habe ... vergessen ... den Wäschetrockner auszuleeren. Ich habe ... überhaupt keine ... Unterwäsche dabei!"

 

© Christine Rieger / 2016

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0